RADTOUR OBERSCHWABEN

Bike & Gourmet

Vorbemerkung

Der Start war in Roggenburg, weil Hildes Rilke-Buch am Freitag, den 22.7. im glanzvollen Rahmen des Klosters der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Eigentlich kann man nicht besser starten, denn das Kloster Roggenburg ist unser erster Höhepunkt des schwäbischen Barocks. Und wo ein guter Freund wohnt, spüren auch wir ein Stück Heimat. Respekt hatten wir vor dem Wetter. Im Unterallgäu fallen 1400 mm Regen. Dafür werden uns 1000 verschiedene satte Grünfarben geboten und eine üppige Vegetation, nur gelegentlich gestört durch den Geruch von Gülle, die nun einmal aufs Feld muss, damit es so fett grün wird.

Zu den Kleinoden und Highlights von Oberschwaben kommt man nur über die kleinen Berge oder großen Hügel, die zwischen den Tälern liegen. Alle Flüsse und Bäche, vom Westen nach Osten im Abstand von 5 km, nämlich die Rot, die Iller, die Roth, der Biberbach, der Oster-bach, die Günz, die Kammel, der Haselbach und die Mindel fließen parallel vom Süden nach Norden in die Donau. Es ist also Kondition gefordert, um sich den schwäbischen Barock oder die Fuggerschlösser von West nach Ost oder von Ost nach West zu erschließen.

Voraussetzung für Kondition ist gutes Essen und Trinken. Hierfür ist in Oberschwaben bestens gesorgt.

Tag I 23.7.:

12 Uhr mittags starten wir auf dem neuen Radweg nach Ingstetten. Hier ist schon die erste spätbarocke/ frühklassizistische Dorfkirche, mit Fresken von Konrad Huber, zu besichtigen. Dann geht es den ersten Berg hoch über einen Flurbereinigungsweg und eine Forststraße nach Oberwiesenbach. Die Kirche ist verschlossen, also kommen wir vielleicht ein andermal. Es meldet sich auch schon der erste Durst. Die Fahrt geht locker bergab über Unterwiesenbach nach Wattenweiler, wo es Weißwürste und Paulaner-Dunkelbier gibt, gerade zum richtigen Moment. Ein super fitter Greis feiert seinen 80. Geburtstag, die Tanten bringen die schönsten Torten, eine Musik spielt. Dann kommt der zweite Berg zur Wallfahrtskirche „Maria Feldblume“, wo eine gute Gelegenheit zum Anzünden von Gebetskerzen besteht.

Es braucht sich niemand zu genieren, wenn er ein Stück schiebt. Der weitere Anstieg über einen Feldweg ist aber bald geschafft. Und dann geht es schon wieder runter zur Neuburg (an der Kammel). Die Burg ist privatisiert und kann wegen der Vermietung an eine Hochzeits-gesellschaft nicht besichtigt werden. Sie haben es uns nicht abgenommen, dass wir zu den geladenen Gästen gehören.

Zum ersten richtigen barocken Kleinod, der Schlosskirche in Edelstetten, müssen wir den nächsten Berg überwinden. JS ua. schieben wieder, und H’s Hinterreifen ist nahezu platt. Pumpversuche scheitern, aber schließlich leistet ein christlicher Schrotthändler mit DDR-Akzent und Kompressor Hilfe; die Luft hat dann für den Rest der Fahrt einwandfrei gehalten. Das ehemalige Kloster und heutige Schloss gehört Fürst Esterhazy, der es gewöhnlich nur eine Woche im Jahr bewohnt.

Jetzt kommt der letzte richtige Berg der Halbtagsetappe, und oben finden wir schattige Forststraßen mit wilden Himbeeren der besten Sorte. Dann erreichen wir das Mindeltal, in dem gerade Flugvorführungen mit Loopings stattfinden. Nach kurzer schneller Fahrt durch die breite Mindel- Ebene freuen wir uns über ein frisches Bier vom Post-Bräu in Thannhausen. Im Posthotel gibt es feine Zimmer und ein ungewöhnlich feines Abendessen (leicht über der Grenze der Preiswürdigkeit).

Statistik: Km 30, Tm 2:30, Av 12.4, Hm 265
(Tm= reine Fahrtzeit, Av= Durchschnittsgeschwindigkeit, Hm= Gesamthöhenmeter an Tag)

Tag II 24.7.:

Nach einem der besten Frühstücke der letzten 2 Jahre, das auch nicht durch ein „Gülle“- Kochei getrübt werden konnte, starten wir zügig in Richtung Mindelzell. Die Wall-fahrtskirche in Mindelzell ist schon ganz was Besonderes. Von hier geht es flach das Mindeltal aufwärts und mit Alpenblick nach Kirchheim (in Schwaben), wo ein kleiner steiler Berg das Fuggerschloss verteidigt. Wir besichtigen den berühmten Zedernsaal. Das Zedernholz dient der Abschreckung von Holzböcken.

Das nächste Ziel, der Geheimtipp der ganzen Tour, ist Kirchhaslach. Es sind gleich 3 der kleinen Berge zu überwinden. Aber in Breitenbronn gibt es ein Dorfgasthaus mit frischen Pfifferlingen mit Klößen der besten Sorte und heimischem Bier. In Kirchhaslach befindet sich eine von außen gesehen sehr unscheinbare Dorfkirche, die innen aber über die schönste Barockausstattung verfügt. Wenn es irgendwo „Grazie“ geben sollte, dann hier.

Vor dem nächsten Fuggerschloss in Babenhausen ist ein neuer spürbarer Berg. Die Stadt-kirche ist ziemlich bescheiden gegen das was wir bisher gesehen haben. Zur Schlossbesichti-gung ist aber nicht mehr genug Zeit, wir gehen lieber ins Eiscafé. Bis Memmingen ist es noch ziemlich weit, und wir müssen uns beeilen. Dann bricht der große Regen aus, und unser auf der Landkarte ausgewiesener Radweg führt über eine gefährliche viel befahrene Landstraße. Ein freundlicher Mensch empfiehlt uns, über den nächsten Waldweg nach Eisenburg zu radeln. Nach einigen Himbeerpausen schafft auch JS den letzten hohen Berg auf über 700 Hm. Nach Überquerung des schwäbischen Jacobswegs finden wir schließlich den Kornmarkt in Memmingen und unser Hotel „Falken“, wo man sehr gut schläft. Im „Weber am Bach“ gibt es ein schmackhaftes Abendessen und einen ordentlichen Wein.

Statistik: Km 65m, Tm 4:45, Av 13.6, Hm 465

Tag III 25.7.:

Im Grunde genommen geht es nur darum, zu wissen, wo man am Abend übernachtet. Der Rest ist Improvisation. So wurde die Stadtbesichtigung von Memmingen durch mehrere heftige Gewitterschauer unterbrochen. Memmingen ist protestantisch, was schon an der puristischen Ausstattung der gotischen Kirche St. Martin deutlich wird. Eine Besonderheit waren die umklappbaren Bänke. Katholische Kirchen sind zum Glück viel barocker. Und deshalb starten wir zuversichtlich zu unserem Haupttagesziel, die Wallfahrts-kirche „Maria Steinbach“ oberhalb eines Iller-Stausees. Am Horizont steht schon das nächste Großgewitter. Wir versuchen, so weit wie möglich trocken voran zu kommen. Über die Bodenseestraße und eine leere Nebenstraße über Hart, Hitzenhofen und Kardorf schaffen wir es gerade eben noch bis in das Museumsgasthaus „Gromerhof“ in Illerbeuren. Dann schüttet es 2 ½ Stunden wie aus Eimern. Im Gasthaus gibt es schmackhaften Kaiserschmarren.

Anschließend starten wir ohne Gepäck zur Wallfahrtskirche. Wenn wir nicht schon in Kirch-haslach gewesen wären..., aber vielleicht ist hier doch unser absoluter Höhepunkt des schwäbischen Barocks.

Leider ist nicht viel Zeit zum Verweilen nachmittags um 3 Uhr, denn bis Schwendi sind es noch über 40 km abzustrampeln. Außerdem gibt es noch einen richtigen Berg, über 700 Hm. Dann geht es aber nur noch bergab, zunächst bis Rot an der Rot, wo eines der bedeutendsten Barockklöster Oberschwabens zu besichtigen ist und sich eine hervorragende Klosterschenke befindet, mit gutem Bier und frischen Brezeln mit Butter.

Vorbei an Viehweiden, Mais- und Getreideäckern und Waldstücken radeln wir über Gutenzell das Tal der Rot hinunter, mit flottem Tempo. In Schwendi wartet schon der „Oberschwäbi-sche Hof“ mit seiner frischen modernen Architektur und einer hervorragenden Küche, die endlich mal wieder eine klassische einfache Nouvelle Cuisine anbietet. Schon deswegen ist Schwendi eine Reise wert. Die Weinkarte ist jedoch noch entwicklungsfähig.

Statistik: Km 63, Tm 4:30, Av 13.6, Hm 360

Tag IV 26.7.:

Es wird doch immer weiter als man denkt, und die Landkarte ist nicht das Land. So kamen die ersten - allerdings unberechtigten - Reklamationen hinsichtlich Strecken-länge und Steigungen. Zur Erinnerung: voriges Jahr in der Wümmeniederung haben wir in 3 Tagen auch über 200 Hm überwunden (Summe der Bahndämme und Autobahnüberquerun-gen). Zugegeben, die letzte Etappe war selbst für JH anstrengend, auch wenn er versucht, sich nichts anmerken zu lassen.

Wir sind uns einig, dass es nur weinige Bauwerke gibt, die eine harmonische Landschaft noch erhöhen. Dazu gehören die schwäbischen Barockkirchen. Das von dem berühmten Architek-ten Richard Meier entworfene Weishaupt- Center in Schwendi gehört aber auch dazu. Nach dem kleinen Exkurs zur modernen Architektur schluckt uns wieder voll die Landschaft. Der erste Berg in Richtung Kirchberg (Iller) ist viel höher als erwartet, und die Forststraße ist z.T. so holprig, dass ein Tourenradfahrer sehr vorsichtig sein muss. Es geht eben nichts über ein gutes MTB! Dann biegen wir zu früh links ab und verpassen so das nächste Fugger- Schloss. Von weitem ist es aber auch ganz hübsch. Ein Stück durch das Illertal führt uns der Weg nach Kellmünz, einer alten Römersiedlung, und von hier geht es durch den Wald noch mal richtig hoch nach Weiler und von dort nach Osterberg, wo die Erinnerung an eine Reitjagd bei Dieter v. Malsen (dem Brötchenkönig von Paris) aufkommt. Das Schloss ist verkauft, und heute residiert hier hinter verschlossenen Toren ein Patentanwalt.

Vom Osterberg runter nach Oberroth erreichen wir eine Durchschnittesgeschwindigkeit von über 30 km/h. Dann kommt aber noch der zweitletzte Berg, der wiederum unterschätzt wird. Schade, dass die Wallfahrtskirche und das Gasthaus im Matzenhofen zu haben. So radeln wir bequem abwärts durch das im oberen Teil landschaftlich besonders schöne Biberbachtal, in der Hoffnung, dass wenigstens das „Bräu“ in Messhofen auf ist, leider auch vergebens. Die Wirtin macht keine Ausnahme und schickt uns in die „Kornschänke“ in Roggenburg. Trotz des Kräfte zehrenden letzten kurzen Bergs ist die Welt hier wieder in Ordnung, bei einer zünftigen Brotzeit und Messhofener Bier. JH’s Bockjagd am Abend und am nächsten Morgen war trotz „Anblicks“ nicht so erfolgreich.

Statistik: Km 46, Tm 3:12, Av 14.4, Hm 312

Resumée:

Für Leute, die einigermaßen fit sind, ist dies eine der schönsten Rad-Touren, die man machen kann. Hinsichtlich der einzelnen Sehenswürdigkeiten wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. JH

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